Absender: Joachim  Raff (C00695)
Erstellungsort: Bad Eilsen/Weimar
Empfänger: Kunigunde  Heinrich (C00362)
Datierung: 5. Januar 1850 (Quelle)
Material: Papier
Veröffentlichung: Raff 1902, S. 387ff.

berichtet von seinem Abschied aus Hamburg. Schuberth habe ihm versichert, dass er wieder bei ihm einsteigen könne, wenn er nicht bei Liszt bleiben wolle. In Bad Eilsen haben er und Schuberth im Rinne'schen Haus gewohnt, während Liszt in der fürstlichen Wohnung unterkam. Liszt will ihm 600 Taler jährlich und freie Station für seine Dienst geben. Am 4.12. sei Schuberth abgereist. Der Grund für den Aufenthalt in Bad Eilsen sei Caroline zu Sayn-Wittgenstein und ihre Tochter Marie die Bäder brauchen. Belloni wird am 14. Jan. mit Liszts Mutter in Weimar ankommen, dann soll dorthin übergesiedelt werden. Er habe Liszts "erstes Concerto Symphonique" "bereinigt" und den "Field"-Artikel kopiert und übersetzt. Zudem "Instrumentation und Reinschrift" von "Ce qu'on entend sur la montagne". Liszt nehme seinen Tadel mit Geduld auf. Zählt das Gesinde Liszts und den Tagesablauf auf. Liszt gehe es schlecht wegen Verlust "seiner besten Freunde" in Ungarn durch den Feldherrn Julius von Haynau] und wegen den finanziellen Verlusten, die der Finanzwirtschaft in Frankreich und Österreich zu schulden seien. Jeden Tag um 10 käme Liszt in sein Zimmer, wo sie Raffs Arbeit besprechen. Liszt habe seine Klaviersachen von Blatt gespielt. Zusammen lasen sie Korrektur von Liszts Stücke über Meyerbeers "Propheten". "Consolations" und eine Bearbeitung von Beethovens "An die ferne Geliebte" werden von Breitkopf & Härtel herausgegeben. Liszt habe den sich auf Durchfahrt befindenen Erbprinzen von Weimar [Karl Alexander] getroffen. Jakob Eck sei in Zürich gestorben. Raff habe selbst einiges über ihn geschrieben, ebenso wurde er löblich von A. Schmidt in seinen "Reisemomenten" erwähnt. Er wolle nun sicher für ein Jahr bei Liszt bleiben. Er habe Liszts erstes Konzert und "Ce qu'on entend sur la montagne" und "Die 4 Elemente" ins Reine geschrieben und "zum Theil instrumentiert". Zählt Liszts Pläne auf: "2. Concert mit Orchester, 3. Concert ohne Orchester, Todtentanz, Trauermarsch für Orchester, Übertragung der 5 restirenden Sinfonien von Beethoven. 1 Buch über Chopin, Die Oper "Sardanapal". Drei Stücke über den Propheten." Eine "leichtere Ausgabe" seiner ungarischen Stücke" soll unter seinem Namen erscheinen. Er wolle die erste seiner drei entworfenen Konzertouvertüren in c-Moll ausarbeiten und freut sich auf die Arbeit mit Orchester. Liszt, Stör und Apel wollen sein Trio [WoO 9] aufführen, zudem seine "Caprices" [erste Fassung von op. 59]. Beschreibt Lage und Leute in Bad Eilsen. Schreibt über Meinungsverschiedenheit mit Carolyne zu Sayn-Wittgenstein, die alles vom "Standpunkt einer allerdings sehr umfassenden Belletristik" beurteile. Sie meine, dass er als "gefühlloser Mensch" Kunst nur "als Wissenschaft" betreibe. Kritisiert Liszt, dass er auf dem "Clavier das Orchester und auf dem Orchester das Clavier" spiele, dass er den Kontrapunkt so völlig vernachlässige und einen "wahren Steinhaufen aus dem Gebäude schöner Formen" mache. Zweiter Teil des Briefes aus Weimar geschrieben: berichtet vom Weihnachtstag. Als Raff von einer Schlittenfahrt zurückgekehrt war, wurde er von Liszt etc. ausgelacht, da sie ihm die "Frömmigkeit in Noten" seines 121. Psalms [WoO 8], aus dem Liszt den Anfang gespielt habe, nicht zugetraut hätten. Dann Unterhaltung mit Liszt über den katholischen Choral. Sollte einen Brief an Herrn Winterberger in Weimar überbringen. Dann Abschied und Abreise. Anekdoten über Liszt: In Weimar seien viele Werke ohne Partitur, sondern aus den Stimmen geleitet worden. Ein Cellist habe den Titel "Geheimer Kammermusicus" beantragt. Liszt erhielt eine Bittschrift von einem Bauern, dessen Kuh gestorben war. Liszt reiste anfangs des Jahres nach Braunschweig, dann Leipzig. Kistner soll ausgerufen haben: "Jetzt hört aber alles auf!" als er erfuhr, dass Raff bei Liszt in Weimar weile. Da drei Konzertouvertüren so viel Aufwand wie eine Symphonie bedeuten, aber weniger Eindruck hinterlassen, entschied er sich, seine erste Symphonie zu beginnen. Für Arrangements habe er fast keine Zeit. Er wolle nun nicht mehr so viel publizieren. Liszt unterrichte [Alexander Winterberger und einen Schüler aus Breslau, die beide am Leipziger Konservatorium waren. Frau Verginy, eine Pianistin sei ebenfalls hier, könne aber noch fast nichts. Er fand die Partituren der "Harold-Symphonie" und des Requiems von Berlioz, die er zu studieren gedenkt.


Zitiervorschlag: Raff, Joachim: Brief an Kunigunde Heinrich (5. 1. 1850); https://portal.raff-archiv.ch/A02223, abgerufen am 11. 9 2024.