B. berichtet von seinem erfolgreichen Debüt in Köln mit Raffs Suite
(op. 91). Er, Raff, soll den Huldigungsmarsch von Wagner lassen, dieser habe die
Sachen mit nach Genf, bzw. Luzern mitgenommen. Berichtet vom Finale der
"Meistersinger", der hl. Elisabeth. Bittet, dass Schott seine Komposition "Ouvertüre
und Marsch zu Cäsar" nehmen soll. Weiterer Bericht von einem Liszt-Konzert in
München
Verehrter freund!
Nein. Ich weiss nicht was Ostermeße ist, ich denke mir aber darunter das Schrecklichste, d. h. für Dich Zeit losigkeit. In Anbetracht dieses Umstandes will ich mich kurz fassen, mich hauptsächlich auf den Dank für Deine Mittheilung beschränkend.
äTrotzdem nun die Aufführung Deines Werkes in Carlsruhe unbefriedigend ausgefallen ist, thut mirs dennoch nachträglich leid, daß ich derselben habe nicht beiwohnen können. Aber – es ging nicht. Weissheimers Conzert mußte vom 22 März auf den 24 verschoben werden. Somit war es rein unmöglich, rechtzeitig – von Düsseldorf kommend – den Abend in Carlsruhe einzutreffen.å
In Cöln habe ich – was mir seit zehn Jahren nicht vorgekommen – ein paar Thaler zugezahlt – aber sehr viel Vergnügen gehabt. Ich hatte circa 150 Freibillette an Musiker u. s. w. vertheilt, die alle über die Maaßen enthusiastisch waren Ich hätte gar nicht besser debütiren können, als mit Deinem Opus 91, das einen ganz enormen Effekt gemacht hat. Dein Dank hebt sich durch den meinigen. Denn bei Gott – Du hast eines der allerdankbarsten Klavierparadepferde geliefert, die man sich wünschen kann.
äDaß Dir Frl. Heintz über die Suite geschrieben, welche die Münchner Kapelle executirt hat, freut mich – sie ist damit gehorsam gegen meinen Befehl gewesen. Deinen besonderen Dank werde ich ihr als Extra-Trinkgeld dieser Tage verabfolgen.å
Nun will ich mich zusammennehmen und theils antworten, theils etwas betteln.
Laß den Huldigungsmarsch von Wagner. Er hat schon angefangen zu instrumentiren – etwa acht Partiturseiten, die er aber mit nach Genf (jetzt Luzern) genommen, nebst der Skizze. Entweder er macht die Sache fertig oder übergibt mir die Fortsetzung, die ich dann natürlich unter seiner Controlle und Aufsicht vorzunehmen habe. Mir wärs freilich lieber, Du übernähmst, denn Dir kostet’s kein Kopfzerbrechen, mir aber sehr viel, was mir übrigens gesund ist. Schott soll sich doch ein bischen gedulden. Unterdeß hat Wagner das erste Finale der Meistersinger zu Ende gebracht und arbeitet fleißig an der Skizzirung des 2. Aktes. Das erste Finale habe ich jetzt hier – meine Frau hat mir’s mitgebracht. Berauschend schön – heiter, sprudelnd von Geist in jeder Hinsicht. Die hl. Elisabeth – Partitur liegt jetzt in Prag – wo das Werk nächster Tage in böhm. Sprache zur Aufführung kommen wird. Die Aachner haben mich ebenfalls drum gebeten und da sich dieselben so gesinnungstüchtig gegen Monsieur Hiller benommen haben, so habe ich ihnen die Partitur zugesagt.
Nun kommt meine Bettelei – durch eine neuliche Bemerkung – Lockung – Deiner selbst hervorgerufen. Ich bin eben dabei meine Ouverture zum Cäsar und ditto Marsch zum 2ten u. letzten Male umzuarbeiten. In 14 Tagen sind die Partituren stichfertig. Wird sie Schott nehmen? äIch habe mir schon einen Verleger dafür erobert, Bote & Bock in Berlin, von denen neuerliche Zusage vorliegt. Es ist diess aber doch eine unanständige Musikhandlung. Schotts Firma hätte ich gar zu gern dafür – auch schon weil ich angehender Süddeutscher bin. Du meintest letzthin, Schotts würden gern erbötig sein – freilich liegt mir auch an baldiger Veröffentlichung. Möchte also auch nicht den Sperling in der Hand gegen die Taube auf dem Dache vertauschen. Du sitzest nun so nahe neben der Taube auf dem Dache. Wäre es Dir möglich, wenn Du gerade Zeit hast, die Gelegenheit günstig, d. h. wenn Du eben schon einmal an Schotts schreibst, mir über diese eröffnete rosenrothe Möglichkeit Gewissheit zu verschaffen? Etwa in 14 Tagen? Bin ich zu unbescheiden, so ignorire einfach.
Schreibst Du an Schuberth zufällig, so sende ihm doch für sein Privatplaisir beifolgendes Programm ein – Du kannst Dich dann um so kürzer faßen. (gute Ausrede von mir, der ich nicht direkt mit dem Kerl wieder in Verkehr treten möchte) å
Die Aufführung war wunderschön – die Kapelle hat prachtvoll gespielt, mit Wärme, Schwung und Phantasie. Es freut mich daß die Leute mit mir als Dirigent immer mehr zusammenwachsen, daß wir uns immer rascher verständigen. Ich habe vier große Proben gehalten und die Leute haben trotz der großen Anstrengung – nicht gemurrt.
äPublikum wenig zahlreich aber sehr warm und lebhaft. König und ganzer Hof anwesend. Eigentlich war’s ein Hofconzert – nur sollte den Neugierigen der Zutritt eröffnet sein.
Sonnabend über 8 Tage wiederum Conzert. „Hungaria“ – Klaviersoli – Sinfonia eroica.
Doch genug – übergenug für heute.
Herzlichen Dank von Cornelius für Deine freundliche Absicht betreffs seines Cid.
In treuer Bewunderung
Dein ergebener
München, 5 April 1866. HvBülow.å