B. berichtet über den plötzlichen Tod von Ludwig] Schnorr v. Carolsfeld [Sänger 1836-1865]. Grosse Bestürzung. Meint, dass
er Raffs "Simson" [Samson, WoO 20] in München hätte aufführen können. Berichtet,
dass Liszt Rom verlassen habe. Könne wohl wegen der "Heiligen Elisabth" [Oratorium
von Franz Liszt; Uraufführung 15. August in Pesth] nichts bei ihm ausrichten. B.
sage sich von 'Parteien' los und wolle nur noch Werke aufführen, die ihm gefallen,
darunter wo immer möglich auch Liszts [Franz Liszt, 1811-1886] Werke.
München, 25 Juli 1865
Verehrter Freund!
So eben kehre ich aus Dresden zurück. Wir kamen zu spät zum Begräbniße, das wegen der zerstörenden Hitze ausserordentlich beeilt worden war. Wir konnten nur die Pflicht gemeinsamer Trauer mit den Überlebenden üben. Welch furchtbarer Schlag! Schlimmeres für Wagner, für uns Alle hier, für unsere künstlerischen Pläne konnte sich nicht ereignen! Ich bin noch ganz betäubt – moralisch – die physische Ermüdung hat mich noch nicht ins Gleichgewicht gebracht.
Deinen Simson hätten wir Dir schon in München aufgeführt, glaube mir! Oder zweifelst Du an der Möglichkeit, daß ich hier eine Initiative ergreifen kann? Entsetzlich, daß es Dir nicht thatsächlich mehr bewiesen zu werden vermag.
Ich sage Dir herzlichen Dank für Deinen Brief, den ich am Freitag zugleich mit der erschütternden Nachricht von Schnorrs Tode empfangen habe. (Nb. am Tristan ist er nicht verschieden!) äFrl. Topp, die ich sogleich avertirt habe, wird unterdeßen die nöthigen Schritte gethan haben. Ich darf sie also Dir und Deiner Frau Gemahlin ins Haus schicken? Verlangt sie zu viel wenn sie 15 Frd’d’or (150 Gld) sich ausbedingt? Was Programm anlangt, so spielt sie ungefähr Das, was ich diesen Sommer in Wiesbaden gespielt haben würde. Habe daher die Güte, ihr nichts wegzurevidiren!å
Mein Schwiegervater scheint Rom schon verlaßen zu haben. Wegen der hl. Elisabeth fürchte ich nichts bei ihm ausrichten zu können. Für Deine liebenswürdige Absicht in diesem Betreff unsere aufrichtigste Erkenntlichkeit. Bei der – „Mit“welt hat er wohl keine Chance mehr. Was mich anlangt, so treibe ich seit lange keine Parthei mehr, sondern nur diejenige Musik, die mir gefällt und desshalb werde ich, wo Gelegenheit ist, immer Lisztsche Werke aufzuführen suchen, wie manches Andere.
Hier ist manches Erspriessliche und Nothwendige im Werke – allmälige Abbahnung von verschiedenen Personen und Anbahnung besseren Systems. äHerrn v. „Durch casus“ werden wir ebenfalls springen laßen. Perfider Un gentleman und musikalischer Laffe! å
Ich benutze fleissig – daß es nicht ohne Unterbrechung geschieht, dafür sorgt schon der Allböse – Dein mir von Dir verehrtes Notenpapier. Ach, es wird noch auf lange ausreichen!
äNochmals Dank wegen meiner Schülerin, die, wie ich hoffe, Deinen entschiedenen Beifall finden wird.
Gute Gesundheit, ärger- und kummerloses Dasein Dir und den Deinen!
In treuer Freundschaft
Dein
ganz ergebener
Bülow.å