Absender: Joachim  Raff (C00695)
Erstellungsort: [Wiesbaden]
Empfänger: Doris  Raff (C00693)
Zielort: [Weimar]
Datierung: Quelle undatiert
[undatiert] bis [undatiert] (Quelle)
19. April 1858 bis 22. April 1858 (ermittelt)
Standort: Bayerische Staatsbibliothek (München)
Signatur: Raffiana II
Umfang: 5 Seiten
Material: Papier
Schreibmittel: schwarze Tinte
Incipit: [ohne Anrede]
Es giebt Fälle im Menschenleben

Berichtet von einem langen Spaziergang mit neuen Stiefel in Wiesbaden. 20.4.: Rickchen habe R. heute auf der Strasse angerufen. Janke [?] sei mit Kind und Kegel angekommen. [Heinrich] Ehrlich sei hier angekommen und habe sich im Alleesaal eingerichtet. Aus der Brendel'schen [Neue Zeitschrift für Musik] entnehme R., dass die Augsburger Allgemeine dessen Text abgedruckt habe. Mache eine triumphierende Miene. Die Österreichische Zeitung [Speidel] habe gegen [Eduard] Hanslick und für Liszt Partei ergriffen. Die Aufnahme des "frömmsten Mannes" in die Franziskaner-Brüderschaft habe mit einem Zweckessen stattgefunden. Man denke bei Liszts Hypocrisie an den Witz von Humboldt gegen [...]. [Gustav] Schmidt habe es noch nicht zu einer Wiederholung der "Weibertreue" gebracht. Morgen sei eine Wiederholung angesetzt, zu der Hagen herüberreisen wolle. Hier sei es noch nicht eingereicht. Das Ministerium soll sich in Verlegenheit mit [Karl Eduard Anton] von Bose befinden wegen Finanzfragen. Hemstuck [?] sei nach Paris gereist. Hofft, dass dieser dort keine Pariser Künstler und Künstlerinnen engagiere. Wundert sich, dass die E. keine neuen Geschichten von [Eugen] von Soupper aus Paris zu erzählen habe. Dieser solle sich um Engagements in den Bädern kümmern. 21.4.: Erfahre von [Karl von] Ulram, dass die E. erst am 1. Mai in Wiesbaden einzutreffen gedenke. In New York habe sich das Gerücht verbreitet, dass R. diesen Frühling dort landen werde. [Julius] Schubert [Schuberth] und R.s Bruder [Joseph Raff] haben Anfragen an ihn gerichtet. Der Brief von R.s Bruder sei jenem von Schuberth beigelegt und mit "Strancton" [wohl Stanton?] in der Datumsangabe bezeichnet. Der Brief sei vom 26.2. Könnte sich vorstellen, dass Schuberth das Gerücht selbst gestreut habe, um zu sehen, welchen Eindruck es machen könnte und um bei R. auf den Busch zu klopfen, um zu sehen, ob R. etwas in diese Richtung übernehmen wolle, wie dieser es anno 49 vorgeschlagen habe. Wolle nicht, da dies das Grab für R.s künstlerische Entwicklung sei. Wenn R. in 10 Jahren noch immer keinen Erfolg habe, könne er sich noch immer als Verfasser des Contrapunkts in New York oder London etablieren. Schuberth bleibe in nächster im Leipziger Geschäft. 22.4.: Vermisst die E. und wünschte sich, dass [Franz] Dingelstedt und sein Theater beim T. [Teufel] seien. "Dein" Weiland Sohn Joachim [wohl Joseph Joachim] treibe sich in letzter Zeit am Rhein herum. Es scheine, dass der Niederrhein auch nach Schumanns Tode grosse Anziehungskraft bewahre. Dies sei keine Allusion auf Clara Schumann, die sich noch in Stuttgart befinde, sondern auf [Carl] Reinecke, [Otto von] Königslöw, [Ferdinand] Hiller. Im letzten Abonnementskonzert in Köln wurde eine neue Ouvertüre von Joachim aufgeführt, die gut und klar geformt, aber ärmlich erfunden sein soll. Nun konzentiere dieser in Barmen. Joachim habe ein Duo von Franz Schubert für Klavier und Violine für Violine und Orchester arrangiert. Folge in dieser Hinsicht Liszts Spuren. Es soll Ernst werden mit dem neuen Theater. Die Stadtverordneten haben wegen des Platzes Beratung gehabt. Wir mit unserer Halle sind nicht so glücklich: Müssen schauen, dass der Kursaal gekriegt werden kann. Wollte, dass die Geschichte mit [Dionys] Pruckner in Ordnung sei. Wolle auch [Rosa von] Milde durchbringen. Glaube nicht dass die Ney [wohl Jenny Bürde-Ney] komme. 23.4.: Freue sich, dass der Auftritt der E. ["Narziss" von Albert Emil Brachvogel] gut gegangen sei. Den Tausch mit der "Pompadour" fände R. nicht so schlecht, wenn es der E. keine Gène mache. Fallandier habe den armen Brachvogel völlig zermalmt. Die E. habe es also doch dritthalb Tage bei ihrem alten Schatz in Leipzig ausgehalten. Da es vor der Hochzeit noch einmal sein musste, wolle R. ein Auge zudrücken und sich auf andere Art revangieren. Der Fall mit Vater [Eduard Genast] sei schlimm. Schiebt es auf den Witterungswechsel. Dickchen [Antonie Genast] müsse sich schonen.


Zitiervorschlag: Raff, Joachim: Brief an Doris Raff ([19. 4. 1858]); https://portal.raff-archiv.ch/A01747, abgerufen am 11. 9 2024.