Absender: Joachim  Raff (C00695)
Erstellungsort: [Wiesbaden]
Empfänger: Doris  Raff (C00693)
Zielort: [Weimar]
Datierung: Quelle undatiert
[undatiert] bis [undatiert] (Quelle)
15. April 1858 bis 17. April 1858 (ermittelt)
Standort: Bayerische Staatsbibliothek (München)
Signatur: Raffiana II
Umfang: 5 Seiten
Material: Papier
Schreibmittel: schwarze Tinte
Incipit: Mein gutes Süsslili!
Ich muss dir noch über denjenigen Theil deines Briefes schreiben

Finde es in Ordnung, dass Franz] Dingelstedt der E. nichts Besonderes zugesagt habe. Was die E. von [Eduard] Lassen schreibe, entspreche ganz den Erwartungen, soweit es R.s Oper anbelange [Samson, WoO 20]. Es wäre nicht in der Ordnung, wenn diesem das Werk gefiele. Denn die Ansichten über die Anforderungen des Musikdramas gehen auseinander. Das sehe man daran, dass sich Lassen mit einem Text wie [Ernst] Pasqués "Frauenlob" jahrelang befasse. Zeit die ebenso weggeworfen sei, wie jene für "Landgraf Ludwigs Brautfahrt", die viel reizende Einzelheiten enthalte. Schliesse aus einem Auflösungszeichen, dass dieser die Samson-Partitur zuhause gehabt haben müsse. Die Schrift kenne er von der Korrektur von "König Alfred" [WoO 14], dessen neue Partitur R. diesem und [Karl] Klindworth zur Korrektur gegeben habe. Die Kunde über "Tristan und Isolde" [Wagner] war nicht die Unwichtigste. Sei begierig auf das Liebesduett, das gegen Schluss stattfinden müsse. Zweifle daran, dass er diesbezüglich geschlagen sei. Ärgert sich über die Bauerei. In der gestrigen Mittelrheinischen Zeitung stehe ein Exzerpt aus Wilhelms [Genast] "Florian". 16.4.: Ferdinand Beyer [Schott] sei in der Kaltwasserheilanstalt. Dieser sei nicht arbeitsunfähig und werde einige Hundert Hefte Arrangements liefern können. [Siegfried] Dehn, [Sigismund von] Neukomm in Paris und Aug. [August] Gathy seien gestorben. Fragt, ob die E. etwas von einer neuen Oper "König Alfred" von [Maurice] Chemin-Petit gehört habe, die in Halle zweimal erfolgreich aufgeführt wurde, wie in der Illustrirten Zeitung stehe. [Louis] Spohr bekömme jetzt auch eine Toncurrente an [Charles] Gounod, der den "Faust" Goethes für das Théâtre lyrique als Oper behandle. Heute sei der "Liebesring" aus Mannheim gekommen. Verfasser ist [Hermann von] Schmid aus München. Biographie und Porträt finde sich in der neusten Nummer der Illustrirten Zeitung. [Franz] Dingelstedt habe dessen "Columbus" wegen der politischen Haltung nicht aufführen lassen. Erst nach dessen Abgang setzte sich der König für die Oper ein und brachte sie zur Aufführung. Der "Liebesring" sei sehr gut. "Dieser Schmid wäre entschieden der Mann, wie ich ihn für meine Zwecke brauchte, soweit er sich nur um eine Gattung handelt, die nicht ins Gebiet des strengeren Musikdramas gehört." Werde [Dionys] Pruckners Vermittlung in Anspruch nehmen. Habe keine Lust den "Liebesring" für die Mannheimer Preisrichter zu komponieren. Wenn man den Preis nicht gewinne, könne man die Partitur wegwerfen, da nur der Gewinner das Recht auf das Buch erhalte. 17.4.: Vielleicht sei das Engagement der E. in Weimar für später doch nicht unnütz. Fragt, ob die E. die Geschichte mit [Frederike] Gossmann gelesen habe. Bruckner [?] habe pfiffig gehandelt. Das Publikum halte diesen nun für unbestechlich. Glaubt, dass der Erfolg der Gassmann auf einer Grille der Wiener beruhe [Gossmann hatte grossen Erfolg mit der "Grille" von Charlotte Birch-Pfeiffer]. Es gehe ein Licht auf über die Beschlüsse und Verhandlung der Dresdener Konferenz. [Friedrich] von Gall wolle ein Zentralorgan wie das von Zoller [?] redigierte. Gall sei der untauglichste für dieses Amt. Und wer denke hierzu nicht an den vielbewanderten Juden [August] Lewald? Von Verbesserungen der Einkünfte der Autoren sei nirgends die Rede. Widerstand von Lüttichau [Wolf Adolf August von Lüttichau, Hoftheaterintendant in Dresden?] und Berlinern sei zu begrüssen. Die Geschichte mit dem Korbe, den der Herzog von Coburg für [Henri] LItolf [Litolff] bei Napoleon geholt habe, sei ein merkwürdiges Faktum. Litolff sei bestimmt arrogant und vehement aufgetreten. Unter solchen Umständen könne dieser ein drittes Konzert in Paris nicht zustande bringen und müsse sich ärgern wenn er von [Anton] Rubinstein [...] werde. 18.4.: War vormittags bei Löws und Geyers und sei soeben von Wieners zurückgekehrt und wolle nun schreiben, da er wegen Launers Stunde nicht früher konnte. War mit einem Gastspiel der E. in Weimar einverstanden, so lange der Vertrag mit Wiesbaden noch nicht feststand. War vor allem daher nicht einverstanden, da sich die E. ihrer Gesundheit widmen wollte und weil das Gastspiel sehr improvisiert sei. Die E. solle von einer künstlerischen Zwitterstellung künftig absehen, nicht "Mädchen für alles" sein, sondern etwas ganz, bestimmt und bedeutend werden. In dieser Hinsicht sei R. die Beziehung der E. zu Frl. Daum [?] unklar. Wolle sich nie mehr in solche Dinge mengen. Die E. schreibe nicht, ob [Karl Eduard Anton] von Bose ihren Urlaub verlängert habe. Die Maus habe eine Strich durch die eigene Rechnung gemacht. Wolle den "Liebesring" nicht mitschicken. Von Heyl sei wieder hier. Das Liszt seinen Erfolg zu forcieren versuchen werde, war zu erwarten. "Dass aber er, der Weltlichste aller Weltlichen in jeder Hinsicht, zur Frömmigkeitsheuchelei seine Zuflucht genommen, um sich einen momentanen Success zu sichern, ist so jämmerlich, dass er in der Kunstgeschichte nur umso tiefer sinken wird, je weniger Bedeutung seine Arbeiten sonst haben." [Hans von Bronsarts Broschüre habe R. noch immer nicht zu Gesicht gekriegt.


Zitiervorschlag: Raff, Joachim: Brief an Doris Raff ([15. 4. 1858]); https://portal.raff-archiv.ch/A01746, abgerufen am 11. 9 2024.