Absender: Joachim  Raff (C00695)
Erstellungsort: [Weimar]
Empfänger: Doris  Raff (C00693)
Zielort: [Darmstadt]
Datierung: Quelle undatiert
[undatiert] bis [undatiert] (Quelle)
24. April 1857 bis 27. April 1857 (ermittelt)
Standort: Bayerische Staatsbibliothek (München)
Signatur: Raffiana II
Umfang: 6 Seiten
Material: Papier
Schreibmittel: schwarze Tinte
Incipit: Mein liebes süsses Herz!
Ich bin etwas müde, und du musst es schon nicht übel
Veröffentlichung: Raff 1902, S. 1432 (nur Ausschnitt)

Habe einen Brief von Whistling Peters] erhalten, der die beiden Verdi-Stücke op. 70 herausgeben werde und R. den Verlagsschein geschickt habe. Ist R. nicht unangenehm, hätte aber lieber ein Originalwerk abgesetzt. Nachmittags sei Liszt hier gewesen. Liszt sehe schlecht aus wegen den Schwierigkeiten, die sich seinem künstlerischen Wirken in den Weg stellen. Lädt R. ein, ihn häufiger zu besuchen. Obwohl R. dies tun könnte, ohne befürchten zu müssen, der Fürstin [Carolyne zu Sayn-Wittgenstein] allzu oft über den Weg zu laufen, habe er sich wegen viel Arbeit entschuldigt. Liszt habe durch [Eduard] Lassen von Raffs dritter Suite op. 72 erfahren und habe R. vor der "Lohengrin"-Probe "Toccata" und "Fuge" daraus vom Blatt gespielt. Die Eltern waren sehr entzückt. Auch Liszt scheine Gefallen daran gefunden zu haben und habe gebeten, ihm das Werk auf die Altenburg schicken zu lassen. Raff wolle aus erklärlichen Gründen davon absehen. Wolle morgen noch einmal zu [Gotthilf Wilhelm] Körner nach Erfurt. Habe ihm Suiten Nr. 1 und 2 op. 69, op. 71] geschickt, es könnte bereits Nachricht da sein. Wenn er diese wider Erwarten nicht haben wolle, könne R. vielleicht einen Käufer in Leipzig finden. 25.4.: Habe am Morgen den Zug verpasst. Mit [Franz] Dingelstedt sei nun alles im Reinen. Er sei General-Intendant und erhalte eine Hofcharge, sei aber unabhängig vom Hofmeister und Hofmarschall, habe eine eigene Kanzlei. Sei auch Intendant der Kapelle. Dingelstedts Vollmachten seien unbedingt, daher müsse man sich auf Änderungen gefasst machen. Der Vater der beiden Fräulein Wolff sei gestorben. Die jüngere habe zum ersten Mal die Bühne betreten und habe leidlich gefallen. Bei Abgang [Alfred] Jaëlls, habe sich Bose in Hannover befunden. Scheine sich an norddeutschen Bühnen umzusehen. Gehe nachher in "Sophonisbe", die heute zum ersten Mal gegeben werde. [Hermann] Hersch sei selbst hier. Er solle so jüdisch aussehen, dass [Edmund] Singer wie ein Christenkind von 64 Ahnen schien. 26.4.: Das Stück habe gestern ein gelindes Fiasko gemacht, obwohl die Don [Don-Lebrun] sich viel Mühe gemacht habe. Streit als Massasylischer Fürst sei rührend gewesen. Bedauert, dass nicht Winterberger die Rolle gespielt habe. Vater [Eduard Genast] gehe es nicht besonders. Im Sonntagsblatt befinde sich ein Artikel von Wilhelm Genast über die Dorfgeschichten [?]. In der Brendel'schen [Neue Zeitschrift für Musik] sei ein Bericht aus Wien, in dem eingestanden wird, dass die Majorität der Konzertbesucher Liszts Préludes ausgezischt habe. Es sei naiv von [Franz] Brendel, dass er dies abdrucke. Enthält eine Rezension vom "Vater unser" von [Peter] Cornelius, das diesem nicht übermässige Freude machen werde. Die Schwestern von Soupper seien im Lohengrin [Richard Wagner], in dem Frau Rauch-Wernau die Ortrud singe. Habe keine Lust, sich das Werk zum x-ten Male anzuhören und bleibe zuhause. Habe den Darmstädter Theaterzettel von Schulrat Lachardts erhalten. Dessen Frau sei von dort. Ausser der E. stehe auch Fischer als Gast darauf. Dräxler-Manfred [?] werde nachholen, was er bei der E. versäumt habe. Gewiss engagiere Tescher die fragliche Dame. Rübke sei wieder hier. SChreiber werde in nächster Zeit noch nicht wieder hierher zurückkehren. Will Rübke Sachen von sich einpauken. Momentan sei niemand hier, der eine Zeile von R. spiele. Müsse noch 20 Seiten vom ersten Akt [Samson, WoO 20] schreiben. Will die Instrumentation der ganzen herstellen und dann Kleinigkeiten beifügen. Sollte in der Lage sein, nahezu zwei Akte nach Wiesbaden zu bringen. 27. 4.: Konnte den Brief der E. nicht vor seiner Fahrt nach Erfurt beantworten. Das Publikum scheine doch netter gegen die E. zu sein, als die Kritik und Dräxler-Menfred und Konsorten. Mad. Fischer fand die E. "schlanker und hübscher als erwartet. Mit Brendel habe R. nicht gesprochen. Ignoriere konsequent alles was zum offiziellen und offiziösen Teil der Clique gehöre. Konversation mit [Franz] Dingelstedt? Nein. Da er sich seit der Correspondenz anno 53 so haarig benommen habe. Habe den Besuch des E.s bei ihm nicht angenommen. Werde sorgen, dass dieser es über Umwege zu hören kriege. Es sei Dingelstedt sicher daran gelegen, hier wenige gefährliche Feinde zu haben. Gegen Wilhelm [Genast] und die Eltern habe er sich freundlich verhalten. Was die E. über [Ludwig] Schindelmeisser supponiere, habe völlige Richtigkeit. MIt D-Manfred stehe dieser sehr intim. Beide sprechen voneinander wie von einem grossen Lichte. Will das Samsonbuch [WoO 20 nicht an Schindelmeisser geben. Wenn Tescher es ihm weitergebe, werde er es noch früh genug sehen. Was die Sache mit Wiesbaden betreffe, habe die E. immer noch einen grossen Fauxpas gemacht, da sie noch nicht an Jaskowitz geschrieben. Dass der letzte Winter der E. in Wiesbaden weniger glücklich gewesen sei als die früheren könne nur mit seiner Anwesenheit zusammenhängen. Wolle einen anderen Ort in Deutschland suchen. Im Sommer müsse R. aber dort sein, weil sonst nirgends etwas für ihn zu tun sei. Konnte in Erfurt nur wenig Vernünftiges ausrichten. Demnächst werde die erste Suite op. 69 dort erscheinen, für die er aber nur 10 Thlr eingenommen habe. Beiliegend Zeilen von Hannchen. Nachschrift: Wilhelm [Genast lässt grüssen. Rauch-Wernau habe als Ortrud nicht gefallen. Habe eine Karte zum morgigen Wohltätigkeitskonzert erhalten.


Zitiervorschlag: Raff, Joachim: Brief an Doris Raff ([24. 4. 1857]); https://portal.raff-archiv.ch/A01729, abgerufen am 11. 9 2024.