Absender: Joachim  Raff (C00695)
Erstellungsort: [Weimar]
Empfänger: Doris  Raff (C00693)
Zielort: [Darmstadt]
Datierung: Quelle undatiert
[undatiert] bis [undatiert] (Quelle)
21. April 1857 bis 23. April 1857 (ermittelt)
Standort: Bayerische Staatsbibliothek (München)
Signatur: Raffiana II
Umfang: 4 Seiten
Material: Papier
Schreibmittel: schwarze Tinte
Incipit: Mein gutes Herzenslieb!
Ich bin gestern in der Probe gewesen, welche bis 9 1/2

War gestern in der Probe Prometheus von Liszt], Wortwechsel zwischen Liszt und den Bläsern. [David Hermann] Engels Oratorium "Winfried" sei langweilig. Die Orchestermitglieder haben R. in der Pause herzlich begrüsst, ausser Stör. "Die Prometheus-Ouvertüre ist in ihrer zeitigen Gestalt schauderhaft und ich begreife, dass die in Braunschweig durchfallen musste. Sie wird überall dasselbe Schicksal haben." [Carolyne] zu Sayn-Wittgenstein sei stets krank. Schade, dass sie dem eventuellen Triumph des Meisters nicht beiwohnen könne. [Alfred] Jaëll habe R. gestern auf der Altenburg seine neuen Stücke vorgespielt, die mit Ausnahme eines kleinen Stückes "Gruss an Venedig" herzlich schlecht seien. [Oskar] Schade sei am Sonntag in Pforte [?] gewesen. Emi [Emilie Genast] habe sich gestern nicht wohl gefühlt. Gehe heute nicht gerne ins Konzert, aber da Liszt in alle Proben des "Dornröschen" [WoO 19] gekommen sei, wolle er nicht weniger aufmerksam sein. Der Grossherzog von Darmstadt scheine R. in gewissen Dingen um kein Jota klüger als jener von W. [Weimar]. 22.4.: Das gestrige Konzert [Prometheus-Ouvertüre von Liszt] sei fast gar nicht besucht gewesen, vom Hof war nur die junge Grossherzogin da. Alle Hofräte und anständigen Leute seien zuhause geblieben, was sonst nicht vorkomme. Es scheine, als fange man an zu demonstrieren. Durch die Anstellung [Franz] Dingelstedts sei der Anstoss gegeben, einen bürgerlichen Intendanten vor Ort zu haben. Das war, was Liszt längst bedurfte. Wer könne nun gegen eine künftige Intendanz Liszt noch Einwendungen machen? Liszt und Dingelstedt haben sich schon "herausgelassen". Wilhelm [Genast] habe davon gesprochen. [Franz] Brendel sei auch am Konzert gewesen. [David Hermann] Engel besuche R. heute. Dieser wolle, dass Raff für ihn schreibe. Würde im Gegenzug eine Komposition für Singstimme, Orgel und Harfe von R. aufführen. R. sagte, dass er weder Zeit noch Lust dazu habe. War höflicher ihm gegenüber, als er verdiene. Habe den ganzen Tag an seiner Partitur [Samson, WoO 20] gebüffelt, die stattliches Ansehen annehme. Müsse recht aufpassen, da er kein Konzept mache, sondern die "ganze oft sehr weitläufige Instrumentation gleich aus meiner Skizze ins Reine schreibe. 23.4.: Die Büffelei und ein Besuch von [Eduard] Lassen haben R. davon abgehalten, den Brief der E. gleich zu beantworten. Die Partitur [Samson, WoO 20] rücke gut voran. Denkt, dass der erste Akt in acht Tagen fertig wird. Die Partitur werde "recht hübsch, so dass man Staat damit machen kann". Es sei verdriesslich, dass der Serenissimus so hartherzig sei bezüglich des Engagements. Fragt, ob die E. Schindelmeisser nicht persönlich gesprochen habe. Es wäre R. interessant zu wissen, was dieser über die vereitelte Aufführung der Ouvertüre [? zu König Alfred? WoO 14] zu sagen habe. Schotts haben R.s Brief mit den Labitzky-Arrangements [WoO 20C, WoO 20D] noch nicht erhalten, als sie in Darmstadt waren. Dass die Schott [Betty] gut gespielt habe, freue R. sehr. SO habe er die Aussicht, dass sie sein Konzertstück [Ode au Printemps, op. 76] nicht verpfusche. Freut sich über den Erolg der E. in "Sonnwendhof" [von Salomon Herrmann Mosenthal]. Es könne sein, dass der Herzog die E. auf ein Jahr engagiere. Vater [Eduard Genast] habe ausgehen wollen, doch Gonllon [?] habe es verboten. Ännchen [? versichere R., dass ihr Herz frei sei und sie einen Civilisten heiraten wolle. Wenn R. noch frei wäre, würde sie ihn nehmen. Fragt, ob Hannchen geschrieben habe, dass das Kostüm der E. so schön geworden sei.


Zitiervorschlag: Raff, Joachim: Brief an Doris Raff ([21. 4. 1857]); https://portal.raff-archiv.ch/A01728, abgerufen am 11. 9 2024.