Absender: Joachim  Raff (C00695)
Erstellungsort: [weimar]
Empfänger: Doris  Raff (C00693)
Zielort: [Darmstadt]
Datierung: Quelle undatiert
Standort: Bayerische Staatsbibliothek (München)
Signatur: Raffiana II
Umfang: 6 Seiten
Material: Papier
Schreibmittel: schwarze Tinte
Incipit: Mein liebes süsses Herzensherz!
Ich kann nicht läugnen, dass ich sehr müde bin

Habe 16 Seiten der Samsonpartitur WoO 20] geschrieben und wurde durch den Besuch von [Alfred] Jaell abgehalten, der für ein paar Tage hier bleibe. Aus [Joseph] Joachim könne man gar nicht klug werden, meine dieser. Sei in seinen Meinungen sehr unzuverlässig. [Franz] Dingelstedt sei auch hier. Dieser sei "genau der Abklatsch von Liszt nur in seiner Weise. Gebe sich wie ein Baron und behandle die Leute wie Maschinen und stellenweise wie Hunde. Brauche er Sympathien, wedle er wie ein Pudel. Egoist durch und durch. Nur Leute wie der Vater [Eduard Genast] seien so gescheit, dies nicht einzusehen. 20.4.: Dass die E. mit "Donna Diana" [wohl von Joseph Schreyvogel] weniger Erfolg hatte als mit der "Waisen", sei nicht gut für ihre dortige Situation. Sehe ein, dass auch äussere Ursachen mitspielen. Zudem sei es eine der älteren Rollen der E. und brauche eine Durcharbeitung. Was die Sache mit Händel [?] betreffe, sei ein Missgeschick passiert, das hoffentlich keine üblen Folgen haben werde. Die E. hätte ihm nicht schreiben sollen, sondern nach Wiesbaden reisen sollen und ihm den Brief von Jaskewitz zeigen und sagen sollen, dass sie einen fertigen, bündigen Contract wolle, da sie sonst anderwärts abschliessen wolle. Händel hätte dies bewerkstelligt. Nun habe sich die E. ganz in Händels Macht begeben, da sie ihm brieflich ihre Position dargelegt habe. Vorwürfe. Sehe aus den Verhältnissen in Darmstadt keinen Grund, warum sich die E. um einen Platz drängeln sollte. Die Rolle, die die E. morgen spiele, sei wenig geeignet, den Grossherzog zu bestimmen. Die E. werde am Mittwoch im Klaren sein. A. Wenn Tescher die E. nicht engagiere, solle sie ihn beten, einen formellen Engagements-Antrag schriftlich zu machen. Mit diesem soll die E. nach Wiesbaden und dort abschliessen. B. Wenn dies nicht wolle, soll E. ihn um schriftliche Zusicherung ihres Gastspiels bitten, dann nach Wiesbaden gehen und unterschreiben. C. Wenn Händel sofortige Entschliessung verlange, so solle E. zusagen. D. Wenn Händel sage, dass er sich nicht weiter um die Unterhandlungen kümmere, soll E. an Jaskewitz nach Prag schreiben. Von [Franz] Dingelstedt erfahren sie, dass Grills [?] Engagement in München gelöst sei. Daher werde er in Darmstadt bleiben. Im heutigen Tagblatt sei ein beissendes Inserat gegen die Zukunftmusikasterei. Vater [Eduard Genast] sei wieder auf. Augusta habe auch wieder bei "uns" gegessen. Arbeitete wieder an der Partitur [Samson, WoO 20. Müsse nachmittags in die Prometheusprobe von Liszt. Kommt noch einmal auf die Engagementsangelegenheit: Händel werde sich sagen, dass die E. bei ihm bleibe, wenn sie nicht in Darmstadt angenommen werde.


Zitiervorschlag: Raff, Joachim: Brief an Doris Raff ([19. 4. 1857]); https://portal.raff-archiv.ch/A01727, abgerufen am 11. 9 2024.