Absender: Joachim  Raff (C00695)
Erstellungsort: [Weimar]
Empfänger: Doris  Raff (C00693)
Datierung: Quelle undatiert
[undatiert] bis [undatiert] (Quelle)
11. Januar 1855 bis 14. Januar 1855 (ermittelt)
Standort: Bayerische Staatsbibliothek (München)
Signatur: Raffiana II
Umfang: 10 Seiten
Material: Papier
Schreibmittel: schwarze Tinte
Incipit: [ohne Anrede]
Ich habe mich nicht enthalten können, auf den Brief

Habe dem Brief von Dickchen Antonie Genast] eine "32" aufgemalt, was 32 Küsse bedeute. Traf gestern Abend noch mit Liszt, Rubinstein und den "Kammervirtuosen" zusammen, die aus dem Konzert kamen und auf Stör schimpften. Rubinstein sei heute nach Berlin abgereist, Emi [Emilie Genast] sieche dahin. Nachtrag zu Singers Bekanntschaft: Nach Fotografie zu urteilen, sei Rosa Tely eine niedliche kleine Person, die nach den Briefen rein und gut sei. Singe am Kärntnerthor-Theater, werde aber nach Schwerin engagiert. Singer wolle, dass R. als Kapellmeister dorthingehe. Sonst habe Singer keine Schmerzen, ausser dass ihm 1000 Thaler fehlen um zu heiraten, was Rosa nicht begreifen wolle. Im Tageblatt befinden sich unter den Inseraten zwei Disticha, in denen seine Ouvertüre als "Denkmusik" bezeichnet werde. Stamme vielleicht von Sondershausen, Maltig [?] oder einem der Höfräte, vielleicht auch von einem Blaustrumpf. Die Tonhalle in Mannheim kündigte an, dass sie einen Preis für eine Symphonie ausschreiben würde. Bittet die E. Erkundigungen darüber anzustellen. Soll bei Mans, Bogler und anderen Personen nachfragen. 12.1.: Komme mit seiner Fuge [WoO 18] nicht so schnell voran wie gehofft. "Dame Kobold" [von Calderon, vgl. op. 154] habe R. neulich ziemlich unterhalten. Wolle das nächste Mal wieder hingehen. Es stehen bevor: Das Concert von Benedix und ein Stück von Meissner, glaube der "Prätendent von York". Über den Bernhard [WoO 17] werde hin und wieder auch geschimpft. Thompson zeichne sich hiermit aus. Am 16. Februar soll "Belisar" kommen, am 17. das Konzert von Berlioz. [Hermann] Hettner sei als Direktor der Antiken- und der Maag'schen Gipsabdrucksammlung nach Dresden berufen. Von Schade weiss man immer noch nichts. Hoffmanns Frau sei wieder gekommen. Wagner sei eingeladen, die Concerte der alten Société in London zu dirigieren, Berlioz zur Direktion der Konzerte der neuen. Letzterer gehe sicherlich hin, ersterer auch, wenn ihn nicht Grillen davon abhalten. Habe die "LIebesfee" op. 67 mit Singer am Klavierauszug studiert. Die Partitur werde gerade ausgeschrieben. Hofft, dass es diesem gelinge, die Gewandhäusler zu interessieren. Wolle bei diesem Skandal gegenwärtig sein. Dass [Ferdinand] Laub nicht antworte, ärgere R. genauso sehr wie die Trödeleien bei Schuberth. Die Schweizerstücke op. 60 sollten zu Weihnachten erscheinen. Die Korrekturen habe R. 14 Tage vor Weihnachten abgeschlossen und das ziemlich starke und teure Werk werde sich schlecht verkaufen. Ebenso dumm werde mit den Opernstücken verfahren op. 61. 13.1.: Habe am Morgen gearbeitet und ging nach Tische auf die Altenburg. Am Morgen habe ihm Liszt geschrieben, dass er nach Gotha wolle, wo der "Tannhäuser" gegeben werde. Soll daher die "Liebesfee" op. 67 bei ihm spielen lassen. Habe der Verhandlung von LIszt, Singer und Cossmann beigewohnt. Diese hatten zum Zweck Stör und seine Violinstenprätensionen, die beiden Quartteten dieses Jahr völlig in Frage gestellt wurden. Man werde Triosoiréen einrichten, wo auch Sonaten und andere Sachen für Klavier und Streichinstrumente spielen werde. Das Klavier werden Pruckner, Bronsart und die Sabnini [?] spielen. Einigen Gesang wolle man auch bieten und hofft, Emi [Emilie Genast] dafür zu gewinnen. Die Streichinstrumente werden bloss von Singer und Cossmann gehandhabt. Im Programm werden auch Stücke von Raff gespielt. Er werde gedrängt, sein neues Trio op. 102?] fertig zu machen. Liszt und Singer haben die "Liebesfee" zweimal gespielt. Alle waren sehr befriedigt und Cossmann bitte, dass R. ihm ein ähnliches Stück schreibe, damit er in Leipzig debütieren könne. Das Brahms'sche Trio, das Liszt ihnen zu Liebe habe spielen lassen, habe ein sehr schönes Scherzo, nur der erste und der dritte Satz fallen ab. Der letzte ist geradezu absurd. Brockhaus habe sich beeilt, R.s kleinen Artikel in der Deutschen Allgemeinen Zeitung zu drucken. Dies habe Wilhelm und den Eltern Freude gemacht. Erwartet dasselbe von der Illsutrirten Zeitung. Emi soll in 14 Tagen in Jena singen. Sie wolle mit Empfehlung von Liszt nach Gotha. Schon morgen werde der "Bernhard von Weimar" wieder gegeben, was R. nicht freue. "Maurer und Schlosser" werde abgesagt. 14.1.: War mittags bei den Deinigen und dann mit Wilhelm spazieren. Dieser müsse viel arbeiten und könne nicht mal in sein eigenes Stück sehen. Werde den Brief an die Eltern später überreichen. 6 3/4 Uhr: Die Ouvertüre sei besser als das letzte Mal aufgeführt worden. Das Haus sei gut besetzt. "Lott' ist todt". Hofft, dass man das auch bald von einer anderen Lotte sagen könne. Die Grenzboten-Rezension sei ungefähr eine Seite lang, nicht eben übelwollend. Kossak habe eine eigene Montagszeitung in Berlin gegründet. Wolle ihm noch nicht auf den Pelz rücken, weil das Blatt noch im Werden sei. Im Übrigen werde die "Wagnerfrage" noch genug besprochen werden. Wenn die Nibelungen da sind, verkaufe sich das Buch. Sei nicht so dumm, Bücher über Dinge zu schreiben, die schnell abgethan sind. Mad. Fraige [?] unterrichten? Werde wohl Mad. Ritter als Schülerin aufnehmen. "Was wird Wagner sagen, wenn er erfährt, dass seine Cousine bei mir Lection nimmt?". Für Wilhelm haben sich die Aussichten auf eine Aufführung in Dresden eher schlecht gestattet. R. habe ihm hinsichtlich Druck Brockhaus geraten. Wilhelm war dankbar für Raffs Artikel. Schade habe endlich an Hoffmann geschrieben. Die Baronin Steyer [?] sei an der Cholera gestorben und nun müsse er als Vormund fünf Kinder an sich nehmen. Zwei lasse er dort, drei nehme er mit. Ohne Zweifel wird der Brief "unseres genialen Regenerators der Ästhetik", Vischer, interessieren. Zitiert den gesamten Brief [BSB Raffiana VIII. Sehe, dass er den musikalischen Augiasstall alleine ausmisten müsse. Will den mit Vischer angeknüpften Faden nicht reissen lassen, sondern herausfinden, wie weit "wir zusammen gehen können". Pohl befasse sich in der heutigen Brendel'schen Zeitung [Neue Zeitschrift für Musik in nicht sehr geistreicher Art mit R. Dessen Meinung interessiere R. wenig. Mutter lege Muster bei und frage, ob es der. E. gefalle. Es sei bei Lichtensteiner zu haben.


Zitiervorschlag: Raff, Joachim: Brief an Doris Raff ([11. 1. 1855]); https://portal.raff-archiv.ch/A01619, abgerufen am 8. 9 2024.