Absender: Joachim  Raff (C00695)
Erstellungsort: [Weimar]
Empfänger: Doris  Raff (C00693)
Datierung: Quelle undatiert
Standort: Bayerische Staatsbibliothek (München)
Signatur: Raffiana II
Umfang: 8 Seiten
Material: Papier
Schreibmittel: schwarze Tinte
Incipit: Mein süsser Liebling!
Endlich bin ich mit dem 2ten Theil des Faust fertig und habe ihn abgeliefert

Sei fertig mit dem zweiten Teil des "Faust" Faust-Symphonie von Liszt], habe ihn abgeliefert und den dritten in Empfang genommen. Die Differenzen wegen der Musik zu Bernhard [WoO 17] seien glücklich beigelegt. Nachdem Marr den Brief an Stör gelesen habe, wollte er Vernunft walten lassen. Daher habe er nun keine Differenz mehr mit Wilhelm und den Deinigen. Der erstere habe auch anerkannt, wie sehr sich R. der Sache angenommen habe. Erst morgen könne eine Musikprobe stattfinden. Bei Marr war am Vortag in löblicher Weise von der Musik die Rede. Winterberger sei von Berlin zurück und habe dort von den Deinigen vom Stück erfahren. War bei den Deinigen. Emi und Hänschen konnten wegen dem Wetter nicht nach Kösen. Sei gestern bis halb 2 auf der Altenburg gewesen. Hoffmann [von Fallersleben] habe beim Souper, wahrscheinlich in Verabredung mit Liszt, gegen die Statuten beantragt, den Namen des Vereins zu ändern. Die Art, in der hier vorgegangen wurde, sei eine reine Gaunerei gewesen. Alle haben beigestimmt, ausser R., der als einziger keinen Wein getrunken habe und in Vorahnung aufpasste. Habe danach einigen die Augen geöffnet und er denke, dass in der nächsten Sitzung alles wieder umgestossen werde. Der Bruder der E. [Wilhelm Genast] habe sich [Joseph] Rank als Verfasser des "Bernhard" deklariert. Dieser wollte einiges über die Musik wissen und werde wohl im Sonntagsblatt etwas darüber schreiben. Der Vater habe mit Hoffmann Brüderschaft getrunken. [Hoffmann oder Genast?] habe R. in den russischen Hof zum Frühstück eingeladen, doch R. musste absagen, da er morgens nicht trinken dürfe. Rank hoffe, sein Stück ["Der Herzog von Athen"] zur Aufführung zu bringen und will dafür Musik von R. Werde wohl schwerlich Zeit dafür finden und die Schwierigkeiten wegen der Bernhardsmusik schrecken R. ab. 2.1.: Kehre mit der grössten künstlerischen Trostlosigkeit aus der Probe [Musik zu "Bernhard von Weimar", WoO 17] zurück, für die er die Stunde bei der Mandersloh [?] abgesagt habe. Will die E. mit Worten über ihren Vater schonen, aber nach einem Wortwechsel mit Toni [Antonie Genast] habe er das Haus schnell verlassen. Nicht eine ursprüngliche Intention sei respektiert worden. Der geräuschvolle Marsch, der vor dem dritten Akt gespielt werden sollte und die Stimmung vorbereiten sollte, wurde am Schlusse dieses Aktes gespielt, wo Trommeln und ein feierlicher langsamer Marsch vorgeschrieben sind. Dieser soll nun vor dem fünften Akt gespielt werden. Verfluche im Stillen die Stupidizität aller Involvierten und die Partitur selbst. Die Eltern werden über den Erfolg jubilieren. Wilhelm werde süffisant sein, denn Erfolg sei Erfolg. R. werde sich einsam nachhause stehlen und Gelübde ablegen, nie wieder zu solchen Jämmerlichkeiten beizutragen. Könne das Haus der Deinigen nur noch betreten, wenn er nicht mehr über das Stück sprechen müsse. Die Ouvertüre habe Stör mit Geschmack einstudiert. Wenn sie 3-4 Personen geniessen können, sei er zufrieden. Die Kapelle sei freundlich und geduldig gewesen. Der Klang sei schöner als im Saale. "Wenn ich je die Wahrheit an mir erfuhr, die Wagnern auf seine letzte (nicht seine künftige) Bahn geführt hat, so geschieht es jetzt. Ein Dichter der nichts von Musik versteht, macht musikalische Ansprüche und Vorschriften. Beklagt sich noch einmal über den Vater der E. und die Theaterzustände. 3.1.: Dieser Schreck [Aufführung von "Bernhard von Weimar", WoO 17] sei überstanden. Das Haus sei sehr voll gewesen und alle Beteilgten haben sich Mühe gegeben. Wilhelm habe noch sehr viel zu lernen. Das Orchester habe sein Stück mit viel Hingabe und Präzision gespielt. Das Publikum habe die Ouvertüre applaudiert. Am Ende wurden alle gerufen, doch heraus kam nur Mans, der mitteilte, dass der Verfasser der Intendanz nicht bekannt sei. Wilhelm sass in Beaulieus Loge, Hänschen und Toni in der Parterreloge, Emi neben R. Die Entre-Acte wurden kaum gehört, da auf dem Balkon lebhaft geredet wurde. Liszt und die Fürstin blieben der Veranstaltung fern, angeblich weil der Wagen sie zu spät abgeholt hätten. Madame Stritt habe ihren Beifall bekundigt. Die Einladung zu den Deinigen habe er nicht angenommen, sondern ging alleine in den Russischen Hof. Die E. solle der Einladung zum Ball in Mainz folgen, wenn dies zu ihrer Zufriedenheit beitrage. Schade sei noch immer nicht zurück. Hoffmann, der R. vor der Aufführung besucht habe, wisse nichts von ihm. Toni leide an Kopf- und Zahnschmerzen. Wilhelm sei bei Graus, Marrs und Beaulieu zu Besuch gewesen. Will nachher zu den Deinigen. 5 Uhr: habe den letzten, traurigen Brief der E. vorgefunden. Bekümmert sich über den Zustand der E. Daran sei der Beruf der E. schuld, der ihr keine Rast und Ruhe gönne. Beruhigt die E. wegen seinem Verhältnis ihrer Familie gegenüber. Werde nach der Aufführung mit dem Vater in den russischen Hof. Wenn er noch etwas auf dem Herzen habe, werde er es wohl sagen. Marr habe Wilhelm mit ausserordentlicher Freundlichkeit empfangen, in seinem Richelieu aber eindeutig zu viele Kunstpausen gemacht. Eigentlich wollte R. seine Musik am Samstag nicht mehr machen lassen. Doch auf der Altenburg wünschen sie die Musik und das Stück. Habe sich nicht davon abhalten lassen, den letzten Satz seiner Orchestersuite anzufangen [WoO. 18, weil es der schwerste sei


Zitiervorschlag: Raff, Joachim: Brief an Doris Raff (1. 1. 1855); https://portal.raff-archiv.ch/A01615, abgerufen am 12. 9 2024.