Absender: Hans von  Bülow (C00114)
Erstellungsort: Königsberg i. Pr.
Empfänger: Joachim  Raff (C00695)
Datierung: 4. Mai 1864 (Quelle)
Standort: Bayerische Staatsbibliothek (München)
Signatur: Raffiana I, Bülow, Hans von Nr. 57
Umfang: 7 Seiten
Material: Papier
Incipit: Verehrter freund,
so eben empfange ich in einem Briefe meiner Frau Deine lieben Zeilen vom 27 April.
Veröffentlichung: Bülow 1895 III, S. 588ff.; Marty 2014, S. 244f.; Kannenberg 2020.

Habe den Brief des E. durch seine Frau erhalten. Brenne auf das Klaviertrio [op. 102], das der Verleger des E.s entbunden habe. Berichtet von Petersburg und Moskau. Habe mit Anton Rubinstein die Vaterlandsinfonie op. 96 vierhändig gespielt. Dieser und dessen Bruder Nikolaus wollen das Werk in den Konzerten der russischen Gesellschaft aufführen. Die Frühlingsode op. 76 sei letztes Jahr aufgeführt worden, nicht genügend von der betreffenden Dame [Bronsart?] exekutiert. Staunt ob der musikalischen Entwicklung in Russland, vor allem durch die Rubinsteins. Das Petersburger Conservatorium beschäme die deutschen "Winkelakademieen" zutiefst. Denkt über eine Übersiedlung dorthin nach. Die Schwerverträglichkeit des Klimas für Frau und Kinder [Daniela und Blandine] stehe dem entgegen. Sei mit der Gage von rund 2000 Reichsthaler in 8 Wochen einigermassen zufrieden. Carambolage mit Clara Schumann, die zur gleichen Zeit in Russland mit Mendelssohns op. 14 pianistisch aufgetreten sei. Kündigt einen 14-tägigen Besuch in Wiesbaden zwischen 10. Juli und 10. August an, sei ebensolange in Baden-Baden. Würde dort gerne als Pianist mit dem Orchester auftreten (z.B. Konzert von Henselt oder für Schott Liszts zweites Klavierkonzert). Habe Barth Ella Schultz empfohlen. Wenn Schwemer sie sehe, lasse er sie bestimmt spielen, was sie besser als Bendel tue. Berichtet von einer Aufführung von Volkmanns Symphonie op. 44 in d-Moll in Moskau. Ist wenig erbaut über die Neuigkeiten von den "Saulinern". Habe erst jetzt von Schindelmeissers Tod erfahren. Zeigt sich erschreckt über den Tod von Meyerbeer. Habe diesem zu Ehren in Moskau und Petersburg die Ausstellungsouvertüre zur Aufführung gebracht. Lobt die russischen Orchester. Für Schindelmeisser solle Neswadba folgen. Marpurg gehe nach Sondershausen, wo Stein gestorben sei. Ärgert sich über eine undankbare "Ahasverische Null" [wohl Ehrlich], der er die Stellvertretung seine Klasse entzogen habe, da sie sich mit seinen und Liszts Feinden verbündet habe. Bittet um Data. Stehe auch mit Stern auf feindlichem Fuss. Wolle seinen Dienst quittieren. Stern stecke unter einer Decke mit Ehrlich, von dem Joachim gesagt habe, dass er sich von einem Ferkel nur unterschiede, dass er nicht gleich diesem seinen Namen mit Grund führe. Diese bereiten seiner Frau Ärger und haben auch Weitzmann rücksichtslos behandelt. Habe vom Karlsruher Siege des E.s durch die Zeitungen erfahren [Suite für Orchester, op. 101]. Fragt den E., ob diese nicht geeigneter wäre für Berlin als die Vaterlandssinfonie? Ist gespannt auf Neuigkeit bezüglich Bronsarts [Hans und Ingeborg] am Rhein. Bedauert Kalliwoda. So seien noch niemandem die Leviten gelesen worden. Fragt, was der Ehrenveteran Pferdinand mache. Berichtet über Klavierunterricht von Köhler und Jensen. Letzterer sei fleissig, die bei Senff erscheinende Klaviersonate sei noch nicht das "Richtige", aber ihr Verfasser auch kein Eschmann. II. Akademie(Gesang)-Direktor Laudien – tüchtig. Theaterkapellmeister Hugo Seidel – treffl. Dirigent und anständiger Musiker, Pianist und Mensch. Jedoch miserables Opernpersonal und verludertes Orchester.



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Zitiervorschlag: Bülow, Hans von: Brief an Joachim Raff (4. 5. 1864); https://portal.raff-archiv.ch/A00442, abgerufen am 8. 9 2024.